Umgang mit Tourette nach 34 Jahren
von Peter (42 J.) aus Ditzingen (Bd.Würt.) - Juli 2001
Ich habe über einen Fernsehbericht von der TS-Homepage erfahren, und bin "Gottfroh". Nach 34 Jahren hat diese Krankheit für mich endlich einen Namen und einen medizinische Hintergrund. Ich kann das gar nicht genug deutlich machen, wie wichtig dies für mich ist.
Ich leide seit meinem 8. Lebensjahr an Tourette. Anfangs war es eine abgeschaute Kopfbewegung, die auf diesen Seiten als Kopfrucken bezeichnet wird. Das hielt sich einige Jahre. Ich hatte allerdings immer den Vorteil, dass ich in der Klasse der Größte war und ich vermute, dass sich daher niemand an mich heran gewagt hat, um mich aufzuziehen.
Dann ist das Kopfrucken in meinem Körper einmal rumgewandert und ist zum Schluss in ein Blinzeln über gegangen, was ich sehr angenehm fand, da dies nur direkt von vorn zu bemerken ist. Außerdem ist dieses Blinzeln nicht zu heftig. Ansonsten bin ich zum Glück symptomfrei.
Aber ich hatte trotzdem immer das Gefühl von nicht normal / nicht in Ordnung zu sein. Mit 28 fing ich aus ganz anderen Gründen eine Psychotherapie an und hatte den Eindruck in diesen 4 Jahren doch auch in dieser Hinsicht eine gewisse Linderung zu erfahren. Weg ging es nie.
Vor ca. 8 Jahren kam ich an einen Lebensberater / Heiler wegen dieser Blinzelei, die ich mit Nervosität verband. Die wirtschaftliche Situation meines Arbeitgebers gab genügen Anlass dazu. Der Berater untersuchte meine Aura und gab mir den Tipp, es doch vegetarisch zu versuchen. Ich würde die im Fleisch niedergeschlagene Todesangst des getöteten Tieres in mir ansammeln.
Über solche Dinge kann man denken wie man möchte, aber ich muss sagen die Umstellung hat mir gut getan. Ich ernähre mich seither Ovu-Lacto-Vegetarisch. Das bedeutet: Eier und Milchprodukte als einzige tierische Eiweißlieferanten. Außerdem hat diese Ernährungsform den Vorteil, dass sie sowohl Zuhause, als auch in der Kantine und im Restaurant sehr gut und einfach zu praktizieren ist. Ich habe den subjektiven Eindruck (weil ich weiß ja nicht wie es inzwischen mit fleischlicher Nahrung wäre), dass sowohl meine körperliche Fitness besser ist, als auch mein Tourette sich dadurch etwas beruhigt hat.
Was ich deutlich als Tourette verstärkend wahrnehme ist:
- Stress im Beruf / Privat
- Kaffee, mehr als 2 Tassen pro Tag
- Unzufriedenheit mit mir selbst
- Bildschirmarbeit länger als 2 Stunden pro Tag
- länger als 2 Std. Fernsehschauen
- Gegenwind bei Radfahren (mein Tourette blinzelt am rechten Auge)
- längere Zeit keine körperliche Auslastung
- sportliche Überlastung
Linderung bringt mir:
- Konzentriertes Tun an einer Sache
- Didgeridoo spielen
- Ausschlafen
- Radfahren, Walking, körperliche Auslastung
- innere Zufriedenheit und Ausgeglichenheit
Obwohl ich ein Mann bin habe ich trotzdem das Gefühl, einem Zyklus zu unterliegen. Ich meine einen ca.6 Wochenrhythmus heraus gefunden zu haben. In diesem Rhythmus wird mein Tourette stärker und schwächer.
Ich habe zwar immer noch dieses peinliche Gefühl, wenn ich darüber nachdenke, dass "es" jemand merkt, aber ansonsten benutze ich meinen Tourette als Indikator, ob es mir mit mir selbst gut geht, oder nicht gut geht. Und wenn ich es dann schaffe, psychisch für mich zu sorgen, wird mein Tourette auch schwächer.
Abschließend will ich noch einmal sagen, dass es für mich sehr wichtig ist endliche den Namen von meinen Tic zu kennen und zu wissen, dass es tatsächlich einen medizinischen Hintergrund für die Krankheit gibt.
Nach 34 Jahren hört damit für mich das Gefühl der Unzulänglichkeit endlich auf. Danke auch an Hermann Krämer. Mit den Ernährungstipps werde ich etwas herum experimentieren.