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Meine Lebensgeschichte

von Christoph Huber - 1997

Geboren am 27.12.1969, als drittes Kind nach zwei Mädchen, begann ich, Christoph Huber, mein Leben mit Frohsinn auf dieser Welt. Nach 9 unbeschwerten, glücklichen Jahren, begann sich allmählich in mir etmpfewas zu zeigen, und ich stellte fest, daß ich etwas habe, das andere Kinder nicht hatten. Ein verkritzeltes Diktat in der Schule und noch mehr komische Sachen wie Armschütteln, Aufstan und ähnliches machten sich in der Freizeit bemerkbar.

Trotz guter schulischer Leistungen und viel Spaß am Leben wurden meine Probleme immer größer. Unsere ganze Familie geriet in eine regelrechte Mühle von Ärzten, Diagnosen und Meinungen. Die Folge- mein erster Aufenthalt in Kinderklinik, Kinder- und Jugendpsychiatrie- im Alter von 1O Jahren.

Ein großer Irrweg begann. Vier Wochen lang Experimente mit Medikamenten, Untersuchungen und viel Ungerechtigkeiten waren zu ertragen. Mit der Zeit schaffte ich es, meine Tics hauptsächlich zu Hause zu entladen. Doch es war alles sehr anstrengend und mein Lehrer merkte es und auch meine Freunde und Mitschüler sprachen von irgendwelchen Zuckungen an mir.

Es ging nicht lange und ich landete in einer psychotherapeutischen Abteilung. Das ständige Schuldgefühl, ein schlimmes Kind zu sein, belastete

mich sehr. Nach vielem psychologischen Theater gingen die Gespräche in Richtung Heimunterbringung, was uns alle sehr schockierte. Dennoch befolgten wir den Rat des Arztes. Wir waren einfach alle überfordert.

Ich kam dann in ein katholisches Internat. Freunde hatte ich so gut wie keine. Gelegentlich gab es auch Klassenprügel. Ich kam mir vor wie ein Stück Dreck. Jeder trat auf mir herum, als wäre ich ein Fußabstreifer.

Ich zuckte mittlerweile schon am ganzen Körper, schlug mir ins Gesicht, stieß laute Schreie aus und begann, mich selbst zu verletzen.

Dies alles stieß auf großes Unverständnis und machte mein Leiden nur noch größer. Von nun an wurde ich zu Hause unterrichtet und schaffte dann alle Externistenprüfungen mit sehr gutem Erfolg.

Wiederum folgten Psychiatrieaufenthalte, da ich zeitweise für meine Familie kaum noch tragbar war. Ich rannte regelrecht mit dem Kopf gegen die Wände.

Angst und Trauer, Unverständnis und Hoffnungslosigkeit füllten meine Gedanken viele Monate lang.

Der Vorstand der Erwachsenen-Psychiatrie erkannte die Situation und erkundigte sich nach entsprechenden Möglichkeiten.

So geriet ich dann im Jahre 1984 an Dr. Rothenberger aus Mannheim.

Schon an seiner Fragestellung bemerkte ich sein umfangreiches Wissen über meine Krankheit. Diagnose: Tourette-Syndrom mit schweren Zwangssymptomen.

Am 7.2.1985 kam ich nach Mannheim in das Zentralinstitut für Seelische Gesundheit. Nach vielen, vielen Schwierigkeiten und sehr aufwendiger Betreuung lernte ich langsam wieder zu "leben". Viele haben mir dabei geholfen, immer wieder aufzustehen und gegen meine Krankheit anzukämpfen.

Nach 5 Jahren Mannheim hatte ich meinen Gesellenbrief in der Tasche.

KFZ- Mechaniker, ein Beruf, den ich nur zwangsbedingt erlernte, aber immerhin für mich ein Sprungbrett in eine ungewisse Zukunft.

199O ging ich wieder nach Hause und machte bald darauf sogar meinen Führerschein. Ein Wechselspiel von Jobs und Arbeitslosigkeit begann. Ich konnte beim besten Willen den Anforderungen nie standhalten.

Wir hatten bereits Sommer 1991 und meine Zwänge und Tics quälten mich sehr. Von den vielen Verrenkungen hatte ich starke Schmerzen an Rücken und Beinen. Ununterbrochen befahl mir ein innerer Zwang, meine Zunge zu verstümmeln. Höllische Schmerzen und starke Abmagerung waren die Folge. Dieser unerträgliche Zustand dauerte monatelang bis er von einer anderen schlimmen Phase abgelöst wurde. Nebenbei spürte ich, daß diese Belastungen für meine Familie, im besonderen aber für meine Mutter kaum noch tragbar waren. Es ergaben sich auch finanzielle Probleme, da ich wegen meiner krankhaften Zwänge des öfteren Sachgegenstände, Kleidung und meine unentbehrlichen Brillengläser kaputt machte.

Nach vielen, schweren Hürden wurde für mich ein betreuter Wohnplatz geschaffen. Bei einem Klinikaufenthalt (Neurologie) lernte ich eine hübsche junge Frau kennen. Sie akzeptierte meine Krankheit sofort und wir verliebten uns. Zum Entsetzen meiner Eltern verließ ich bald darauf den Wohnplatz und zog zu Claudia. Sie half mir sehr und ich glaubte wieder an eine Zukunft.

Trotz bester Voraussetzungen machte meine Krankheit nicht "HALT". Ein neuerlicher Zwang drängte mich dauernd, auf meine Augen zu schlagen. Trotz verzweifelter Bemühungen konnte ich das nicht unter Kontrolle kriegen. Es folgten mehrere Operationen an der Augenklinik, aber meine endgültige Erblindung im Juli 1994 war nicht mehr zu verhindern. Das war wohl auch für unsere Beziehung zu viel und wir trennten uns im Juli 94.

Ich verbrachte Weihnachten 1994 wieder zu Hause bei meinen Eltern. Die Kinder meiner beiden verheirateten Schwestern und die liebevolle Zuwendung der ganzen Familie gaben mir wieder viel Kraft und Hoffnung.

Inzwischen sind wieder zweieinhalb Jahre vergangen und mein Leben war ein ständiges Auf und Ab.

Zwei Psychiatrieaufenthalte in München konnten mir auch nicht weiterhelfen, obwohl ich sagen muß, daß dort der Umgang mit dem Tourette-Syndrom von gutem Wissen grundiert ist. Nachdem ich vom Spätsommer bis Weihnachten 1996 wieder sehr an meinem "Zungenzwang" litt, hat sich mein Zustand seit 3 Monaten sehr gebessert und es geht mir so "gut" wie lange nicht mehr. Aus diesem Grund will ich die operativen

Möglichkeiten, welche des öfteren diskutiert wurden, gar nicht erst zur Sprache bringen. Meine derzeitig gute Verfassung wird es mir hoffentlich ermöglichen, ein Blindentraining zu absolvieren, so daß mein Alltag nicht mehr so sehr eingeschränkt ist.

Als junger Mann mit 27 Jahren habe ich seit langer Zeit endlich wieder Zukunftsträume, wenn auch nur sehr bescheidene.

Es grüßt Euch alle von Herzen

Christoph Huber

Unterdorf 55
A- 6491 MILS bei Imst

[Anm. der Online-Redaktion:] Christoph Huber wünscht sich sehr gerne Kontakt zu anderen Menschen mit oder ohne TS - zu diesem Zwecke kann ihm an oben genannte Adresse geschrieben werden. Er würde sich sehr freuen.

Zur Lebensgeschichte von Christoph Huber- ein Beitrag von Lothar Schwalm

Quelle: Mitgliederzeitung der Tourette-Gesellschaft Deutschland "Tourette Aktuell" Nr. 4