Chinchilla Arschloch, waswas (Theaterperformance)
„Der Abend des Kollektivs Rimini Protokoll,(…), ist eine äußerst lust- und respektvolle Annäherung an ein Krankheitsbild. Drei Betroffene befassen sich mit dem Tourette-Syndrom, das mit diversen Tics einhergeht: von der Zuckung bis zur wüsten, unkontrollierbaren Beschimpfung.“ (Kommentar | Berliner Theatertreffen 2020 - rbb)
Chinchilla Arschloch, waswas
Chinchilla ist beim 57. Theatertreffen 2020
"Chinchilla Arschloch, waswas" hat es in die sog. 10er Auswahl des 57. Theatertreffens 2020 geschafft!
Es wurden 432 Inszenierungen in 56 deutschsprachigen Städten besucht. 744 Voten gingen beim Theatertreffen ein und die einzelnen Juror*innen haben jeweils zwischen 87 und 120 Inszenierungen gesehen. Insgesamt wurden 35 Inszenierungen vorgeschlagen und diskutiert.
Aus diesen wurden zehn Stücke ausgewählt, darunter auch "Chinchilla Arschloch, waswas".
Videokonferenz nach der virtuellen Aufführung des Theatertreffens Berlin
Tourette im Theater: "Chinchilla Arschloch, waswas"
von Rimini Protokoll (Helgard Haug)
Bilder: Robert Schittko
Am 11.04.2019 feierte im Bockenheimer Depot in Frankfurt das Stück "Chinchilla Arschloch waswas - Nachrichten aus dem Zwischenhirn" Premiere. Auf der Bühne waren Benjamin Jürgens, Christian Hempel, Bijan Kaffenberger und Barbara Morgenstern zu sehen. Ein toller Auftakt für die insgesamt neun Vorstellungen in Frankfurt. Es folgten Gastspiele in Berlin und Mainz und eine Wiederaufnahme des Stücks für fünf weitere Aufführungen in Frankfurt.
„Keine Absicht - nur Tourette", schickt Christian Hempel eilig voraus, wenn er sich unter Leuten bewegt. Seine Schimpftiraden und seine motorischen Ausbrüche sind nicht steuerbar. Sie sind Reaktionen auf die Welt, in der er sich bewegt. Das Tourette-Syndrom sucht die Öffentlichkeit, es will Konfrontation und Aufsehen erregen.
Mit Tourette Theater zu machen, scheint auf den ersten Blick unmöglich: Kein Text ist sicher, keine Bewegung wiederholbar. Die Bühnentechnik muss in Sicherheit gebracht, spezielle Hotelzimmer gebucht werden. Was nicht Tourette-kompatibel ist, wird geändert. Und diese Änderungen bilden ein Material, formen irgendwann einen Text, einen Anfang und einen Schluss.
In Chinchilla Arschloch, waswas wird Hempel das erste Mal eine Theaterbühne betreten, zusammen mit dem Musiker und Altenpfleger Benjamin Jürgens und dem Politiker Bijan Kaffenberger. Auch sie haben Tourette. Gemeinsam mit der Musikerin Barbara Morgenstern werden sie das Theater auf die Probe stellen: Wieviel Absichtslosigkeit hält das Theater aus? Wieviel Schutz kann es bieten, ist die Bühne doch für das Gegenteil geschaffen: Präzision, Wiederholbarkeit, Kontrolle, Weltgeschichte, Spektakel? Und nach dem Applaus wird vielleicht klar: Dieses Stück handelt nicht von Tourette. Es handelt vom Publikum, vom Theater und der Angst vor dem Kontrollverlust.
Konzept, Text & Regie: Helgard Haug
Mit: Christian Hempel, Benjamin Jürgens, Bijan Kaffenberger, Barbara Morgenstern, Stefan Schliephake und Sven Lüders
Komposition & Musik: Barbara Morgenstern
Bühne: Mascha Mazur
Video: Marc Jungreithmeier
Lichtdesign: Johannes Richter
Dramaturgie: Cornelius Puschke
Dramaturgie Künstlerhaus Mousonturm: Anna Wagner
Tontechnik: Thorsten Löchl
Recherche & Künstlerische Mitarbeit: Meret Kiderlen
Lichtdesign Adaption Berlin: Sebastian Zamponi
Videoassistenz: Lukas Lenfert
Produktionsleitung Künstlerhaus Mousonturm: Olivia Ebert
Produktionsleitung Rimini Protokoll / Touring: Juliane Männel
Produktionsassistenz: Desislava Tsoneva
Dauer: 1 Stunde 30 Minuten
Eine Produktion von Künstlerhaus Mousonturm, Schauspiel Frankfurt und Rimini Protokoll. Koproduziert vom Westdeutschen Rundfunk und HAU Hebbel am Ufer Berlin. Gefördert durch die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien im Rahmen des Bündnisses internationaler Produktionshäuser, durch den Kulturfonds Frankfurt RheinMain im Rahmen des Schwerpunkts „Erzählung.Macht.Identität“ und durch die Adolf und Luisa Haeuser-Stiftung für Kunst und Kulturpflege im Rahmen der Projektreihe UNLIMITED II zur Förderung exemplarischer Positionen zeitgenössischer Performing Arts.
Aufführungsrechte: schaefersphilippen Theater und Medien GbR
Musikrechte: Barbara Morgenstern © Maobeat Musikverlag/Budde Music Publishing GmbH“
Pressestimmen
»In 28 Szenen stellt der ebenso vielschichtige wie kurzweilige Abend die Männer und ihr Leben vor – und konfrontiert gleichzeitig die Zuschauerinnen und Zuschauer mit sich selbst, indem er das Zuschauen zum Thema macht: Ist das Tourette oder Absicht? Ist das noch Zuschauen oder schon Gaffen? Tic oder Timing? Krankheit oder Kunst? Entlang dieser Fragen entwickelt der Abend seine überwiegend komischen Szenen. Das Schöne dabei: Hier lachen nicht die einen über die anderen, sondern alle miteinander. Ein Höhepunkt ist das Duell „Wer tict zuerst?“, nachempfunden dem beliebten Kinderspiel „Wer blinzelt zuerst?“. Jürgens und Hempel stellen sich dazu voreinander auf und versuchen, nicht zu zucken oder sonst wie aus der Rolle zu fallen, was zu herrlichen Verrenkungen und unvorhersehbaren Pointen führt. Als Schiedsrichterin fungiert Barbara Morgenstern, die mit ihren Liedern und elektronisch gesampelter Untermalung den Abend musikalisch zusammenhält. Sie führt immer wieder vor, dass Musik eine beruhigende Wirkung hat. […] Wie die Welt oder auch bloß die Theater wohl aussähen, wenn sie so eingerichtet wären, dass sich alle wohlfühlten? Auch diese Frage schwebt an dem Abend mit. Er ist keine „Freakshow“ geworden, wiewohl er natürlich die Schaulust befriedigt. „Chinchilla Arschloch, waswas“ feiert nicht das Anderssein, sondern das Wunderwerk Mensch. Hier wird niemand vorgeführt; hier präsentieren sich erwachsene, klar denkende Menschen in all ihrem Beschädigtsein und in all ihrer Schönheit.«
Deutschlandfunk, Kultur heute, 12. April 2019
Rezensionen
- Nachtkritik (11.4.2019)
- Deutschlandfunk Kultur (11.4.2019)
- Hessischer Rundfunk (11.04.2019)
- Spiegel Online (12.4.2019)
- Deutschlandfunk (12.4.2019)
- Südwestrundfunk (online 12.4.2019, 15:16 Uhr)
- Frankfurter Rundschau (13.4.2019)
- Main-Echo.de (17.04.2019)
- sicvosnonvobismag.wordpress.com (17.04.2019)
- Süddeutsche Zeitung (24.04.2019) - nur mit SZ-Plus-Zugang!
- Tip Berlin (30.05.2019) (pdf)
- Blog des Grenzenlos Kultur Festivals Vol. 21 (13.09.2019)
- Allgemeine Zeitung | Mainz (14.09.2019)