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Bericht vom Selbsthilfegruppentag in Frankfurt am Main

von Kerstin Kilian

Zunächst einmal mußten Robert und ich feststellen, dass wir viel zu viel Material für die Stellwände produziert hatten. Die Wände waren kleiner als zunächst vorgegeben. So mußten wir entscheiden, welche der Materialien am wichtigsten sind. Schon kurz nach der Eröffnung des Marktes, mit übrigens 104 teilnehmenden Selbsthilfegruppen, traten die ersten Betroffenen an unseren Stand.

Es war eine Mutter mit gleich zwei Tourette-Kindern. Sie sprach mit Robert über ihre Probleme. Die kleinere der beiden Töchter, hat die Tics wesentlich ausgeprägter. Das Kind hat starke vokale Tics und schlägt sich in den Bauch. Die alleinerziehende Mutter war besorgt über den anstehenden Schulbeginn. Da die größere Tochter die Tics nicht so ausgeprägt hat, hat diese keine großen Probleme in der Schule. Kurz darauf wurde unser Stand von Politikern der Opposition vom hessischen Landtag besucht. Das waren Frau Ypsilanti und Herrn Spies. Herr Spies war früher Chirurg und deshalb sehr interessiert am Tourette-Syndrom. Er sagte, dass ihm jetzt erst klar sei, wie wichtig die Selbsthilfegruppenarbeit für die Betroffenen ist. Ich erzählte ihm von einem Kind, welches der Schule verwiesen werden solle, für die Zeit seiner vokalen Tics. Er war sichtlich schockiert und versprach darauf Aufmerksam zu machen. Ich solle ihm nächste Woche eine Mail schreiben. Um 14 Uhr marschierte ich dann mit einer persönlichen Einladung in den Kaisersaal des Römers. Gespannt hörte ich der Rede der hessischen Sozialministerin Silke Lautenschläger zu. Ich ahnte noch nicht, dass ich kurz darauf die Möglichkeit haben würde mit ihr persönlich ein mehrminütiges Gespräch zu führen. Ich berichtete kurz über das generelle Problem zum Thema "Tourette und Schule", sprach aber hauptsächlich über das oben erwähnte akute Problem und dem bevorstehenden Schulverweis. Ein paar Tage zuvor trat eine verzweifelte Mutter eines elfjährigen Jungen an mich per E-Mail heran. Die Sozialministerin sagte mir spontan Hilfe zu, obwohl das Kind in Rheinland-Pfalz zur Schule geht. Ich war begeistert. Sie sagte mir, dass ich ihr in der nächsten Woche etwas schriftlich über den Fall einreichen solle. Bei meinen Recherchen über die Ministerin am späteren Abend stellte ich fest, dass sie vor ihrer Politikertätigkeit als Rechtsanwältin arbeitete. Ich erhoffe mir, dass diese Frau das nötige Gerechtigkeitsempfinden hat, um diesem Kind zu helfen.

Als ich freudestrahlend die Mutter anrief, um ihr von meinen Erfolgen zu berichten, teilte mir diese mit, dass sie nun doch nicht bereit sei, diesen Schritt zu tun. Vermutlich steckt hinter dem Rückzug, die Angst, sie könnte damit ihrem Kind schaden. Da es nach den Sommerferien in eine weiterführende Schule wechsle, wolle sie zunächst noch einmal versuchen, mit dem Direktor der Schule in Kontakt zu treten. Ich muß nun, zugegeben Widerwillens, das Engagement der Sozialministerin zurückweisen, will allerdings erreichen, dass im Bezug auf die Aufklärungsarbeit über das Tourette-Syndrom, Lehrer besser informiert werden. Vielleicht kann dies durch eine Empfehlung an das Kultusministerium von Seiten Lautenschlägers geschehen. Das wäre ein riesiger Schritt nach vorne für uns. Ich werde diese Bitte in der nächsten Woche formulieren.

Der Tag der Selbsthilfegruppen in Frankfurt war ein voller Erfolg. Einige Tourette-Betroffene waren an unserem Stand. Unter anderem erhielten wir eine Negativmeldung über eine Ärztin in Mainz, welche der TGD bereits unangenehm auffiel. Die Streichung von unserer Empfehlungsliste erwies sich somit erneut als richtig. Ein Mitglied aus meiner Gruppe kam sogar aus seiner Klinik zum Selbsthilfegruppentag. Das hat uns ganz besonders gefreut. Es war schön, mit all diesen Menschen zu reden, besonders auch um eine neue Perspektive für das große Problem "Tourette und Schule" zu gewinnen. Vielleicht können wir das nun effektiver angehen.