"und wenn ich stumm bin und nicht telefonieren kann?" - wie OneTwoSold diskriminiert!

von Christian Hempel

OneTwoSold hat zur Bedingung gemacht, Menschen ohne Telefonanschluß, bzw. mit Erkrankungen oder Behinderungen bezgl. der Sprache, die nicht telefonieren wollen oder können und daher keine Telefonnummer bei der Registrierung angeben, von der Teilnahme an Auktionen auszuschließen! Betroffen sind Menschen mit Einschränkungen des Sprachapparats, vollständiger Stummheit, Schlaganfallpatienten oder vom Tourette-Syndrom Betroffene.

Dabei fing alles so nett an: "Mal ein anderes Auktionshaus ausprobieren", dachte sich der 45jährige Peter* aus Berlin, der soeben einen kleinen Drucker im Online-Auktionshaus OneTwoSold erspähte und fix die persönlichen Daten in das Registrierungsformular eintrug. Die Telefonnummer lies er dabei wie gewohnt aus, denn seit er einen Schlaganfall im Sommer 2000 erlitt, ist er an den Rollstuhl gefesselt und wenn er spricht, versteht ihn eigentlich keiner mehr.

Das war am Anfang ganz schön hart für ihn, aber "man arrangiert sich mit so vielem" notiert er geschwind auf einer dieser Zaubertafeln für Kinder, auf der man durch einen Schieber, das eben geschriebene wieder löschen kann und wieder Platz hat zum schreiben.

Das Internet und Kommunikation via eMail ermöglicht ihm ein Stück persönliche Freiheit, ein Telefon hat er mitlerweile gar nicht mehr, nachdem immer wieder Anrufer oder Angerufene auflegten oder ziemlich gemein wurden, weil Sie sich "verarscht" fühlten. "Man kann das verstehen",schreibt Peter jetzt auf einen der zahllosen Zettel die quer durch den Raum verstreut liegen und meist nur knappe Notizen und Anweisungen an Hilfskräfte enthalten.

Was er nicht verstehen kann zeigt Peter anhand der ausgedruckten eMail-Kommunikation mit dem unherzlichen Support der Firma OneTwoSold, der nach drei Stunden aktiver Mitgliedschaft mit Peters ordentlich angemeldeter Anschrift, einer gültigen Mail-Adresse und sogar schon mit einem Gebot auf den kleinen Drucker, das Mitglieds-Account von Peter einfach sperrt. Die Begründung ist ein Vordruck, es könnten entweder Unregelmäßigkeiten bei der Abwicklung gewonnener Auktionen oder beim Verkauf von Artikeln oder ein Verstoß gegen die Allgemeinen Geschäftsbedingungen von OneTwoSold oder eine unvollständige oder fehlerhafte Angabe von Registrierungsdaten vorliegen, bitte wenden Sie sich an den Support. Das macht Peter sofort und ist gespannt, gegen welche Regeln er innerhalb seiner ersten halben Stunde bei OneTwoSold verstoßen habe.

"Andreea" ohne Nachname vom Support antwortet er solle noch einmal seine Daten per eMail schicken. Die hat er zwar alle schon einmal bis auf die Telefonnummer eingegeben, aber er tut es nun noch einmal. Bei Telefonnummer notiert er "Ich möchte nicht angerufen werden". Er sieht nicht ein, dem Auktionshaus seine Krankheitsgeschichte darzulegen, denn es müsse ja schließlich auch Menschen ohne Telefon und ohne Behinderung möglich sein, eine friedfertige Mitgliedschaft in einem Online-Auktionshaus wahrzunehmen.

"wir können ihren account ohne eine tel.nr. nicht freischalten! Wir wünschen Ihnen ein schönes Wochenende! MfG, andreea" kommts da bald zurück. Auch Peter fasst sich nur kurz: "und wenn ich stumm bin und nicht telefonieren kann?", woraufhin erst mal nichts mehr von "Andreea" kommt.

Peter schreibt noch einmal ausführlicher: "meinen Einwand 'und wenn ich stumm bin und nicht telefonieren kann?' meinte ich durchaus ernst. Ich möchte aufgrund meiner Behinderung nicht angerufen werden und sehe auch keinen Notwendigkeit für den Vorgang an Auktionen teilzunehmen, [...]

Seit Jahren bin ich Mitglied bei ebay - nun wollte ich doch einmal OneTwoSold ausprobieren. Wenn ich allerdings Ihre ersten Amtshandlungen so betrachte, macht es mir den Einstieg bei Ihnen nicht gerade angenehm und auch alles andere als seriös.

ch möchte Sie bitten, mir mitzuteilen, ob bei OneTwoSold nur Menschen mit Telefonanschluss bzw. Menschen die telefonieren wollen und können gewünscht werden, sie also zu Ihrem Ausschluss von Menschen mit Beeinträchtigungen z.B. in der Sprache stehen.

Sollte dies wirklich Ihre Überzeugung sein, werde ich Ihnen gerne behilflich sein, diesen Ausschluss bestimmter Menschen auch publik zu machen."

Diesmal antwortet Markus vom Support, ebenfalls ohne Nachname: "Wir schließen niemanden aus [...]", aber man müsse sich an die Regeln in den AGB halten. Der telefonische Kontakt müsse "im Notfall" möglich sein. "Sofern Sie keine gültige Telefonnummer angeben, können wir leider auch den Account nicht aufsperren - ich bedaure."

Schade, wie bedauerlich diese Nachricht doch ist. Welch höhere Macht hat denn OneTwoSold zu diesen diskriminierenden AGB verpflichtet? An welchen Notfall denkt "Markus", wenn ein Telefonat mit einem der nicht mehr sprechen kann, unabdingbar notwendig ist?

Der Drucker ist mitlerweile dahin, der stand zuletzt bei 17 EUR - die Auktion ist mitlerweile ausgelaufen. Ausgelaufen ist auch die Gedult von Peter, der hat kein Interesse mehr an diesem Online-Auktionshaus, freut sich aber über die positive Resonanz der Veröffentlichungen in diversen Online-Foren und Zeitungen mit der Überschrift und vor allem der Erkenntnis "OneTwoSold diskriminiert!" - und das in Zeiten der öffentlichen Debatten und gesetzlichen Richtlinien über die Barrierefreiheit in allen Off- und Online-Bereichen - herzlichen Glückwunsch OneTwoSold - es lebe ebay.

*Name, Alter, Wohnort und genaue Art der Behinderung wurden von der Redaktion zum Schutz d. Betroffenen geändert.